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Ich kann mir nicht helfen, aber „die andere Seite sehen wollen“ liegt mir im Blut. Ob es damit zu tun hat, dass ich sehr lange, sehr angepasst gelebt habe? Oder ist es mein wahres Naturell? Der Charakter des Künstlers, der das Bild dreht und wendet um die interessanteste Perspektive zu finden?

Dieses Mal war der Weltfrauentag die Anregung für mein genauer Hinschauen-Wollen. Die Tatsache, dass Berlin diesen Tag zum Feiertag erklärt hat, war Erkenntnis und Frage in einem: „Haben wir es so nötig!?!“

„Frau sein, heißt frei sein“

„Ich möchte Frauen helfen, in ihre Kraft zu kommen“

„Ich wünsche mir, dass Frauen ihr eigenes gutes Geld verdienen“

                 „Die Welt braucht mehr mutige Frauen“

Das sind nur vier von wirklich unzähligen Statements und Überschriften, die ich im Laufe des Weltfrauentages von Frauen für Frauen gelesen habe. Und bei allem Respekt und meiner Hochachtung für jede, die sich auf den Weg macht, dahingehend eine Veränderung herbei zu führen, regt sich in mir ein Widerstand. Lese ich nämlich weiter im Text, vernehme ich zwischen den Zeilen eine Stimme, die meint, es für mich zu wissen. Jetzt ist es halt kein Mann, der meinen Weg bestimmen möchte, sondern eine andere Frau, die so ganz genau weiß, wo es für mich lang geht. Die mir sagen möchte, dass ich meinen Traum leben muss, damit ich mich verwirkliche, und am besten auch noch, dass dieser in eigenem Geld wurzelt, in Unabhängigkeit und Mut. Und ja, ihr meine Lieben, auch darin liegt ein Stück „Du bist nicht gut genug, so wie du bist“ verborgen.

Die Rebellion gegen die Rebellion?

Wozu wünscht sich frau, anderen Frauen zu helfen? Der Hilfe wegen oder doch mehr wegen des Wertes, den sie sich selbst nicht geben kann. Ich glaube, dass wir darauf achten müssen, nicht die eine Form des Patriarchats durch eine andere zu ersetzen. Der wahre Wandel hin zu einer Gesellschaft, die sich öffnet für eine bunte Lebendigkeit, braucht Platz für alle Farben und Formen.

Warum fühlt sich frau eingeschränkt, wenn sie Geld von einem Mann, vielleicht sogar vom Vater ihrer Kinder, nimmt? Wertschätzt sie eventuell ihr eigenes Sein nicht ganz so sehr, wie sie es anderen und sich selbst glauben machen möchte, und muss es durch äußere Anerkennung unter Beweis stellen. Im Kampf um Unabhängigkeit erkenne ich leider allzu oft das Muster einer versteckten Begrenzung. Ein nicht zulassen können, dass ein anderer für uns sorgt. Die Aussage: „Ich möchte nicht meinen Mann um Geld fragen“ birgt viele Fallen in sich. Was ist denn so schlimm daran, jemanden um etwas zu bitten? Wie wäre es denn anders herum? Hättest du dann auch so ein Problem?

An der Selbstverständlichkeit unseres Wertes sollten wir arbeiten, anstelle gegen eine durch die Natur gegebenen Abhängigkeit zu kämpfen, die sich schon alleine daraus begründet, dass wir alle miteinander verbunden sind.

Was steckt hinter dem Wunsch nach einer starken Frauenschaft? Ein Gegengewicht zur Männerwelt? Für meinen Geschmack legen wir viel zu viel Bedeutung auf Parolen und zu wenig Bemühen auf ein echtes Miteinander!

Sollten wir Frauen es nicht endlich satt haben, uns immer wieder auf die Opferrolle einzulassen? Sollten wir nicht endlich anfangen, geschlechtsübergreifend zu akzeptieren, dass wir einen Kampf führen, bei dem keiner gewinnen kann. Mann und Frau, Mensch und Mensch,  stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Mein Gegenüber wird immer nur so frei sein, wie ich mir selbst die Freiheit in meinem Denken, Handeln, Tun, Geben und Nehmen zugestehe.

Freiheit ist eine innere Haltung!

Und wenn du mir jetzt sagst, dass die Welt von Männern regiert wird, gerechte Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit noch nicht einmal auf dem Papier bestehen, dann pflichte ich dir bei und frage dich aber: „An welcher Stelle übernimmst du die Verantwortung für dich und das gängige Gesellschaftsbild?“ Du bist die Gesellschaft und so lange du dich aufhältst mit Beschwerden, wird alles beim Alten bleiben. Ich spreche in der Du-Form und glaube mir, es ist durchaus auch ein innerer Dialog, den ich da führe.

Warum lachen wir Kerlen, die uns blöd kommen, nicht einfach ins Gesicht? Diskussionen, die nirgendwohin führen und in denen wir die Macht aus der Hand geben, weil wir in der Regel sehr emotional reagieren. Es erschreckt mich, wenn ich von Frauen höre, dass sie am Arbeitsplatz von anderen Frauen schikaniert und gemobbt werden. Ich halte es für ein Märchen, dass Frauen die besseren Vorgesetzten sind. Führungsqualität braucht Menschlichkeit und Empathie, keinen Geschlechterkampf. An dieser Stelle sollte ich wohl einfließen lassen, dass ich durchaus für eine Frauenquote bin, einfach nur, um das System zu durchbrechen. Ob wir es dann besser machen, muss sich erst noch zeigen.

Viele Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte haben wirklich mutige Frauen unter Einsatz ihres Lebens große Risiken auf sich genommen und für ihre Rechte gekämpft. Da erscheinen mir diese Pseudoparolen zum Weltfrauentag in unserer westlichen Welt ziemlich aufgesetzt.

Halten wir nach wie vor fest an unserem Selbstbild, wie wir zu sein und was wir zu tun haben, damit wir Anerkennung und Wert verdienen, wird sich nichts daran ändern, dass wir meinen, wir müssten uns unsere Freiheit erkämpfen.

Ich meine, es wird langsam Zeit, eine andere Haltung einzunehmen. Es gibt nichts zu verteidigen und zu beschützen, wenn wir so denken, fühlen und handeln, wie wir in unserem Ursprung gedacht sind: nämlich die Freiheit zu haben, zu tun und zu lassen, was wir möchten!

 

Sei so frei – das zu sein, was du bist!

Mach endlich was du willst!