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Ich bin gerade mal einen Tag unterwegs auf dem Jakobsweg von Porto Richtung Santiago de Compostela. Es hat sich im Vorfeld schon abgezeichnet, dass diese Unternehmung nicht mit den besten Vorzeichen startete. Ich hatte einen Termin übersehen und musste den Rückflug umbuchen. Die Vorfreude wollte sich auch nicht so recht einstellen und zu allem Überfluss hatte ich eine Woche vor dem Abflug noch einen Hexenschuss. Jetzt bin ich hier, bei Regen und 10° weniger als zu Hause. In meinem Rucksack sind die falschen Klamotten. Mein Rücken schmerzt und ich habe null Bock auf Laufen im Regen!

Guter Rat wäre mir jetzt wirklich teuer.

Was tun? Einfach weiter gehen, weil das der Plan war, mich plagen und ächzen und stöhnen? No Way! Das geht gar nicht. Und während ich das schreibe, kommen schon die ersten vernichtenden Gedanken: „Nie hältst du etwas durch, du brichst ab, bevor du dem Ganzen eine echte Chance gegeben hast.“ Ich antworte: „Ja und? So ist es nunmal gerade. Ich höre auf meinen Körper, der sagt, der Rucksack ist mir momentan einfach zu schwer.“ So geht das heute schon den ganzen Morgen hin und her. „Wer erfolgreich sein will, der muss sich auch dafür anstrengen“ steht gegen „Ist es nicht auch ein Erfolg, das zu tun, was einem gerade gut tut?“

Ich stand vor drei Jahren schon einmal vor dieser Entscheidung. Da war ich auf dem Camino del Norte unterwegs und nach zwei Wochen flüsterte mir der heilige Jakob zu: „Finde deinen eigenen Weg, du brauchst meinen nicht, um glücklich zu sein!“ Ich brach den Jakobsweg ab und begann mein erstes Buch zu schreiben. Jetzt bin ich wieder in einer ähnlichen Situation und diesmal schreit er mich fast an: „Was willst denn du schon wieder hier?“

Freiheit braucht ein klares Bekenntnis zu uns selbst!

Ich verrate euch, für was ich mich entschieden habe: morgen gehe ich zurück nach Porto! Ich mach’s mir gemütlich mit Spaziergängen in meinem Tempo. Ich werde schreiben und am Wasser sitzen. Wenn es mir zu kalt oder zu windig ist, habe ich schon eine Bleibe und muss mich nicht noch viele Kilometer laufen um eine Unterkunft zu finden. Aber ich werde auch mit Wehmut nach Santiago blicken und mich fragen, warum ich mich wieder erst auf den Weg des heiligen Jakobs gemacht habe, um mich dann irgendwo schreibend wiederzufinden?

 

Wer mehr über meine erste Pilgererfahrung und die Abenteuer der Frau Aussteiger lesen möchte, findet vieles davon in meinem Buch.

Kopfstand wenn du keinen Boden mehr unter den Füßen spürst.